Sindarinkonstruktionen: QUENYA

El síla orlú *govanasem
oder
elen síla lúmenn'omentielvor, 

Sindarin und Quenya schenken sich mit manchen Wörtern nicht viel, ihre Verwandtschaft ist gut erkennbar – ein Sindarinmuttersprachler würde langsam gesprochenes oder geschriebenes Quenya womöglich gut verstehen können. Und umgekehrt!

Zum besseren Verständnis ist es zuträglich, wenn der Lesende oder Hörende dabei unbewusst Mechanismen erkennt, nach denen sich Wortwurzeln zu einem Wort entwickelt haben, das er ganz ähnlich aus seiner Muttersprache kennt.

Nehmen wir der Einfachheit halber ein deutsch-englisches Beispiel, beides sind germanische Sprachen.

Betrachten wir die Wörter Nacht, Licht, leicht, Knecht – und die englischen Wörter night, light, light, knight. Hier zeichnet sich ganz deutlich eine unterschiedliche Wortentwicklung aus denselben Stämmen ab. Oder die unregelmäßigen deutschen Verbformen brachte, suchte, dachte – auch englischen Verben sind hier unregelmäßig, und zwar brought, sought, thought. Wenn man diese Mechanismen im Hinterkopf behält, ist das intuitive Merken neuer Vokabeln und Formen extrem einfach!

Diese Begebenheit können wir uns auch bei Quenya und Sindarin zunutze machen, indem wir mit der Kenntnis gewisser Mechanismen aus dem deutlich vokabelreicheren Quenya Sindarinvokabeln erschließen können.

Um diese Mechanismen zu erkennen und nicht falsch zu deuten, wäre es am besten, die Wortwurzeln und die kleinschrittige Wortentwicklung zu betrachten, aber ein Ableiten bereits fertiger Wörter tut's auch.

Folglich ein Vergleich existenter Wörter in Quenya und Sindarin.
(Hier sind natürlich nicht ALLE vergleichbaren Fälle repräsentiert)

Quenyawort
(ungefähre) Bedeutung
Sindarinwort
I. curwë
Handwerk
curu
II. luntë
Boot
lunt
III. lotsë
kleine Blume
loth
IV. mista
grau
mith
V. manca-
handeln
(m)banga-
VI. hloirë
Gift
lhoer
VII. ambar
a) Erde
amar

b) Schicksal
amarth
VIII. amil
Mutter
emil
IX. alya-
helfen
elia-
X. maica
scharf
maeg
XI. lauca
warm
laug
XII. aira
heilig
aer


Mechanismen aus

I. Das finale „-wë“ wird im S. verkürzt zu „-w“. Finales W entspricht in der Aussprache/alternativen Schreibweise U.
II. Das finale „“ kürzt sich weg, das T im Auslaut bleibt unberührt von Lenition (~lund) oder Kontraktion (~lunn). 
III. Das finale „-tsë“ wird zu „-th“, was womöglich mit der Lenition von S zusammenhängt.
IV. Auch die Kombination „-st-“ wird bei dem S.pendant zu „-th-“.

V. Im S.wort sehen wir, dass das Wort im gemeinsamen Ursprung mit „mb-“ begonnen hat. Im Qu. kommt dies als M heraus, im S. als B (mit M-Beachtung). Hier leniert sich das C in „manca-“ zum weichen G (bei Nomen möglich: -nca zu -nc).
VI. Das behauchte L schreibt man im Quenya „hl“, im S. mit „lh“. Das finale „-ë“ bleibt (wieder) unbeachtet. Der Diphthong oi ist oe im S.
VII. Das Wort „ambar“ trägt im Qu. Zwei Bedeutungen. Im S. übernehmen diese die aus derselben Wortwurzel resultierten Wörter „amar“ und „amarth“ - das B aus der wortinneren Kombination „-mb-“ wird zu weichem, einfachem M.
VIII. Wegen des Is im worthinteren Teil muss sich im S. das A zu E umlauten (vergleiche Konjugation der primitiven Verben des S.).
IX. S. gibt mit der Kombination i+Vokal gewöhnlich einen J-Laut wieder. So wird auch hier aus dem „-ya-“ ein „-ia-“ und wegen des Is lautet sich das A erneut zu E.

X. Der Diphthong „ai“ im Qu. wird zum „ae“, was lauttechnisch einander entspricht (im S. würde man den Diphthong „ai“ wie unser „ey“ sprechen). Wie erwartet wird das C leniert & der Finalvokal fällt weg (S.wörter enden sehr selten auf Vokale → vgl. deshalb unterschiedliche Tengwarmodi Qu./S.).
XI. Siehe X. Jedoch wird der Dipthong beibehalten, die Laute sind identisch in dieser Schreibweise.
XII. Siehe X. R leniert sich niemals.

Diese Mechanismen gründen sich nur auf der Betrachtung fertiger Wörter in beiden Sprachen. Der Grund, weshalb ein Wort in der anderen Sprache tatsächlich so auftritt, wie es auftritt, muss nicht zwingend durch das Quenya- oder Sindarinwort zu erklären sein. Möglicherweise finden sich in der Wortwurzel andere Erklärungen.

Aus diesen Erkenntnissen könnte man sich im Notfall anmaßen, Wörter für Sindarin (oder auch Quenya) aus Quenya (bzw. aus Sindarin) zu konstruieren.
Für folgende Wörter, für die im Sindarin (bisher und aus meinen Quellen) keine Vokabel existiert- aber im Quenya!

PFEIFE Qu. rotsë → ts zu th → minus ë = *roth
(vgl. auch tatsächlich vorhandene Analogien litsë=lith, natsë=nath)

KREUZ Qu. tarwë → wë zu w → gesprochen u = *tarw (*taru)

LOCKERN Qu. lenca- → nc zu ng = *lenga-

WEHEN Qu. hlapu- → Vokalumgebung macht P zu B → u im Auslaut fällt weg → hl zu lh = *lhab-

VERFOLGEN Qu. roita- → Vokalumgebung macht T zu D → oi zu oe (→ oe wmgl. zu e) = *roeda-/*reda-

DRYADE (WALDGEIST) Qu. tavaril → i bewirkt Vokalumlautung = *teveril

VERDOPPELN Qu. tatya- → Vokalumgebung macht T zu D → ya zu ia → i bewirkt Vokalumlautung = *tedia-

LIEGEN Qu. caita- → Vokalumlautung macht T zu D → ai zu ae = *caeda-

  • Wer im Quenyavokabular mit Sindarin vergleichend recherchiert, wird feststellen, dass bei Weitem nicht alle Wörter auf dieselbe Wurzel zurückgehen können oder dass oftmals, je nach Umgebung oder auch künstlerischer Freiheit, diese Mechanismen nicht gelten. Zur Vervollständigung des Elbischvokabulars ist diese Methode jedoch wichtig - im Zuge längerer Übersetzungen musste ich das ein oder andere Mal darauf zurückgreifen...
     
Ich hoffe, ich konnte Deinen Blick auf die Beziehungen zwischen Sindarin und Quenya ein wenig schärfen. 

Bei Anregungen, Anmerkungen und Fragen, nutze doch die Kommentar- oder Schreibboxfunktion oder schreibe mir gerne eine E-Mail an balwedhiel@gmx.de.

Cuio vae,
Balwedh. 

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